Raus aus der Komfortzone

Das letzte halbe Jahr war der Hammer. Viele neue Anforderungen, Anregungen und „werweißwasnichtnochalles“. Und lange nicht alles davon war positiver Natur. Wachstum – neben meiner Arbeit an der Hochschule und zwei parallel laufenden Kursen zum Thema „Stressmanagement“.

Die Zeit des Umbruchs begann im letzten Jahr Anfang Dezember mit der Empfehlung eines Kollegen und Freundes, doch ein online-Business anzustoßen. Meine Coachings und Kurse in Unternehmen soll ich online anbieten? Diese Frage hatte ich mir noch nie gestellt, obwohl ich beides ja schon lange im Rahmen meiner Arbeit an der Hochschule anbiete. Wie soll das gehen? Ohne mit dem dafür nötigen KnowHow?

Er erzählte von einer Anbieterin, die auch für mich infrage kam. Angebot angeschaut, Kontakt aufgenommen, Vorgespräch geführt. Entscheidung… aufgeschoben. Lieber mal erst noch in meiner Komfortzone bleiben.

Nur ganz kurz zur Erläuterung: die Komfortzone stellt für mich nicht nur den Bereich zum Ausruhen und zum Krafttanken dar, sondern ist vor allem der Bereich dessen, was wir kennen. Also unser jetziger Erfahrungshorizont. Und unser Ego will nur eins: da drin bleiben und sich selbst bestätigen.

Das Aufschieben der Entscheidung fand aber ganz abrupt ein Ende, als mir mitgeteilt wurde, dass der Kurs ab Januar 2022 satte 500 € teurer werden sollte. Also raus aus meiner Komfortzone und kurzerhand diesen Online-Kurs zur Erstellung eines online-Kurses gebucht. Und die Entscheidung war genial, denn damit fing das Wachstum meines Business erst richtig an.

Begleitet von den in diesem Kurs bereitgestellten Filmen und Unterlagen sowie persönlichen Live-Calls der Anbieterin und immer wieder im Kontakt mit deren tollen Mitarbeiter*innen, die bei Fragen zur Verfügung stehen, habe ich mich durch den Prozess der Kurserstellung hindurchgearbeitet. Nein, das war nicht immer leicht. Diverse Anbieter wie KlickTipp, Coachy und DigiStore verlangten mir einiges an innerem Wachstum ab, immer wieder musste ich raus aus meiner Komfortzone.

Was mir geholfen hat waren meine Erfahrungen aus der Erstellung meines QiGong-Online-Kurses, den ich im Laufe des ersten Corona-Jahres aufgenommen hatte. Ich konnte also auf bereits vorhandene Technik und auf meine Erfahrungen über das Aufnahmeprocedere zurückgreifen. Ein gutes Setting, richtige Einstellungen, Filme und Audiodateien bearbeiten, all dies war mir schon bekannt und erleichterte mir die Arbeit etwas. Wäre aber nicht nötig gewesen, denn alles wurde im Kurs erklärt.

Es gab auch immer wieder eine zu überbrückende „Kompetenz-Demenz“. Und gerade dann ist es wichtig, wenn man im Austausch ist mit Menschen, die einen ähnlichen Weg gehen. Die einen vielleicht einmal auf eine vergessene Kompetenz aufmerksam machen. Oder wenn man gelernt hat, sich selber eine Freundin zu sein, die einen mit der folgenden Frage unterstützt „was hast Du denn in ähnlichen Situationen gemacht, um das Problem zu überwinden?“.

Dann sollte es im April endlich losgehen mit meinem eigenen Kurs. Aber es kam wieder anders. Kurz vor dem geplanten Start meines ersten Webinars habe ich mich mit der Entwicklerin meiner Homepage, ich sage mal ganz diplomatisch, „auseinandergelebt“.

Kritikunfähigkeit hat schon so manche Geschäftsbeziehung zerstört. So auch diese.

Also auch hier wieder: raus aus meiner Komfortzone, denn lieber ein Ende mit Schrecken als dem Schrecken noch weitere zigtausend Euro in den Rachen schmeißen. „Lehrgeld“ bezahlt.

Mein Lebensgefährte, der dieses „Drama“ mehrere Wochen lang begleiten durfte, hat zu meinem Entschluss, die Zusammenarbeit zu beenden, ganz ernsthaft und mit einem Seufzer der Erleichterung nur folgendes gesagt: „Endlich! Herzlichen Glückwunsch zu dieser längst überfälligen Entscheidung.“ Na ja, von außen sehen halt manche Sachen viel einfacher aus als sie gefühlt für einen selbst sind.

Und ja, die Erfahrung, dass auch ich – vielleicht nicht mutmaßlich, aber aufgrund mangelnder Kompetenz – finanziell abgezockt wurde, war wirklich nicht aufbauend und ich durfte mich eine ganze Zeit lang mit unterschiedlichen Gefühlen auseinandersetzen. Aber letztendlich habe ich die für mich nicht mehr stimmigen Konstellationen hinter mir gelassen.

Erleichtert (einerseits um viele tausend Euro und andererseits um weitere unsachliche und unprofessionelle Diskussionen) suchte ich mir jemanden, der mir eine Seite in Word-Press baut, die ich anschließend selber weiterbearbeiten konnte (für die Informatiker*innen unter meinen Leser*innen: meine vorherige Homepage sollte wohl offensichtlich großen Unternehmen Konkurrenz machen, denn sie wurde in TYPO3 programmiert – völlig überdimensioniert, wie ich heute weiß).

Und: ich habe ihn gefunden! Einen tollen Menschen, der mega kurzfristig einen Rahmen für mich bereitgestellt hat, in dem ich meine Homepage, den Blog und alles weitere selber weiterentwickeln und jederzeit ändern kann. Noch kurzfristiger hat er mir die für mein auf den Juni verschobenes Webinar notwendigen Anmeldeseiten programmiert. Damit konnte ich endlich mein Webinar durchführen und – mit wertvollen neuen Erfahrungen ausgestattet – meinen Kurs zum Thema „Stressmanagement“ starten.

Mittlerweile habe ich es mir wieder etwas bequem gemacht in meiner Komfortzone. Denn immer in der Lernzone zu bleiben halte ich auf Dauer auch nicht aus. Denn da gibt es manchmal schon Stress.

Aber genau daran wachsen wir. An herausfordernden Situationen, die wir letztendlich meistern. Wenn wir immer mal wieder die Komfortzone in Richtung Lernzone verlassen, werden wir größer. Und wenn wir das nicht freiwillig machen, dann sorgt halt das Leben dafür.

Aber Stress darf nicht chronisch werden, wie das bei einem längeren Aufenthalt in der auf die Lernzone folgenden Panikzone häufig der Fall ist. Und genau dafür zeige ich in meinem Kurs Möglichkeiten auf, in der Lern- und Panikzone Möglichkeiten zu finden, entweder problem- oder emotionsbezogen Veränderungen vorzunehmen.

Gerade habe ich nachgeschaut: mittlerweile kostet der Kurs, den ich zur Entwicklung meines online-Kurs gebucht habe, ganze 1.000 Euro mehr. Und trotzdem würde ich ihn sofort wieder buchen!

Neben der Fertigstellung meines Kurses ist sie nun auch seit kurzem fertig, meine umgestaltete Homepage. Ich habe mein Angebot überarbeitet, viel Überflüssiges rausgeschmissen und bin endlich mit dem Gefühl unterwegs, unabhängig zu sein. Einfach klasse. Absprachen sind kein persönliches Problem mehr, sondern basieren auf einer gemeinsamen Grundlage der lösungsorientierten Zusammenarbeit. Genau so mag ich mit Menschen meine Zeit verbringen!

Danke an alle, die diese Zeit gemeinsam mit mir gegangen sind, denn es ist viel schwerer alleine zu Wachsen, als gemeinsam mit anderen.

Zur Belohnung für das Wachsen biete ich im nächsten Jahr einen Urlaub in der Toskana an. Und vielleicht fährst und wächst Du ja mit?

Das Bild ist meine eigene Zeichnung anhand des Modell des persönlichen Wachstums vom sowjetischen Psychologen Lew Wygotsky, weiterentwickelt von PassageWorks, Pädagogengruppe in Boulder, Colorado
Erläutert in: Pema Chödron, DAS UNWILLKOMMENE WILKOMMEN HEISSEN, S. 84 ff.